In den Kreislauf des Lebens eingehen, und zwar in Form eines Baumes. „Tree of Life“, für zwei Trauernde eine klare naturnahe Alternative.
Von Sabine Ackermann / NWZ Göppingen vom 11.11.2017
Wohl die wenigsten machen sich Gedanken um ihre Bestattung. Hans-Peter Klein und seine Frau Daniela sind da eine Ausnahme. Irgendwann, am Frühstückstisch sprachen wir über das, was wir wollen, wenn wir einmal nicht mehr sind, erinnert sich der 66-jährige und betont: „Wir waren uns einig, man muss mehr auf den Menschen eingehen und sich auch zum letzten Zeitpunkt selbst organisieren“. Anfang dieses Jahres ist seine Frau Daniela an den Spätfolgen einer Lungenembolie verstorben. Etwa sechs Monate davor, lasen sie zum ersten Mal über die Möglichkeit einer Baumbestattung im eigenen Garten (die NWZ berichtete darüber.) „Das ist für uns das Richtige“, verrät Hans-Peter Klein, was an diesem Morgen gesprochen wurde. Und er fährt fort: „Die Kirche predigt über ein Leben nach dem Tod, sagen aber nicht wie“. Das war nicht im Sinne des Ehepaares und ist es für den Witwer auch bis heute nicht.
Im Natursystem sind alles Lebewesen, insofern kam für den Albershausener nur ein ganz besonderer Baum in Frage. „Wir haben uns für eine Kupferfelsenbirne entschieden, denn sie trägt ein jahreszeitliches Kleid“. Der Korinthenbaum, wie er auch genannt wird, werde wegen seiner weißen Blüten, den kleinen Früchten, an denen sich die Vögel erfreuen und seiner kupferroten Blätter sehr geschätzt. Und mit wir, da meint Hans-Peter Klein seine beiden vierzig und fünfunddreißig Jahre alten Töchter, mit denen er alles durchgesprochen hat: „Für die Selbstbestimmung der Familie und nicht von außen zugetragen“.
Beisetzung der Asche am Lebensbaum
Sehr zufrieden war er mit der individuellen Trauerfeier mit Lichtbildern aus dem Leben der Verstorbenen sowie der freien Rednerin, die Sven Hafner vom gleichnamigen Bestattungsunternehmen aus Uhingen empfohlen hatte. „So wussten auch ihre Kollegen, was sie für ein Mensch war“, erzählt der Witwer, der 42 Jahre mit seiner Frau Daniela verheiratet war. Und auch aus diesem Grund ließ es sich der Mann, der sich danach dem Trauerwandern und der Hospizbewegung angeschlossen hat, nicht nehmen, in Begleitung zweier Freunde nach der Kremation im Februar nach Holland zu fahren. Die Urne wird freilich entweder vom Krematorium aus oder über den Urnentransfer des Bestatters ins Ausland überführt. Die kleine Zeremonie fand in einem abgegrenzten Bereich der Baumschule Nähe Amsterdams statt. Dort wurde die Urne im Beisein eines Notars geöffnet und der Ehemann schüttete vorsichtig die Asche seiner verstorbenen Frau in das Gefäß. Vermischte diese umrahmt von konzertanter Musik mit seinen eigenen Händen mit der darin befindlichen Erde und dem Substrat, ganz bedächtig und dessen bewusst, was er tut. „Mir war das wichtig, dass ich das mache“, betont Hans-Peter Klein, der sich aus einem Teil der Asche einen Diamanten mit 3 Karat anfertigen ließ. Anschließend wurde der Deckel der Urne mit einer Siegelplakette an den von ihm zuvor ausgesuchten Baum gehängt. „So ist die Zugehörigkeit gesichert“, erklärt der Witwer.
Mitte Oktober brachte Sven Hafner den Baum. „Das ist er“, war sich die jüngste Tochter sicher, als sie aus dem Wintergarten in den kleinen und sehr gepflegten Garten trat. Und ihr Vater gab ihr Recht, auch ihm schien dieser Platz bestens geeignet zu sein. „Da muss ich was für die Oma bauen“, freute sich Hans-Peter Kleins Enkel Richard und ging sofort ans Werk. Sobald da Wetter besser ist, will er um den Baum des Lebens seinen Zug fahren lassen.
Große Auswahl an Bestattungsbäumen
Auch Runhild Walter hat sich gemeinsam mit ihren drei Kindern für diese Bestattungsform entschieden, von der sie ebenfalls in der Zeitung gelesen hatte. Anfang Dezember letzten Jahres starb ihr Mann, etwa sechs Monate nachdem er die Diagnose ALS bekommen hatte, berichtet die 74-Jährige. Zwar konnte sich ihr Mann gegen Ende nicht mehr äußern, doch die Eislingerin erinnerte sich daran, dass „der Friedwald für uns ein Thema war“. Alfred Walter war nämlich mit Leib und Seele Gärtner, arbeitete ein Vierteljahrhundert für die Gemeinde Salach und widmete sich privat diesem Hobby. „Botanik und die Vielfalt der Schmetterlinge“, berichtet die Witwe und ist sich mit ihrer Familie einig: „Der Ginko-Baum hätte ihm bestimmt gefallen“, glaubt seine Frau. Zu der Abwicklung im Ausland hatte sie volles Vertrauen, auch weil sie versichert: „Herr Hafner war sachlich, empathisch und einfühlsam“. Alle Trauergäste seien von der Trauerfeier und dem Redner sehr beeindruckt gewesen. „Das ist ein Weiterwachsen“, bemerkt Runhild Walter und freut sich, dass sie täglich auf den Ginko-Baum nicht nur blicken, sondern diesen auch pflegen kann.
Tree of Life – die Idee dahinter
Mit dem Baum des Lebens, gibt es nun eine Möglichkeit, den Friedhof legal zu umgehen. Der Weg dorthin führt über mehrere Stationen und beginnt nach der Trauerfeier zur Einäscherung. Danach kommt die Urne in eine Baumschule in den Niederlanden. Unter notarieller Aufsicht wird die Urne geöffnet, die Asche wird in ein Spezialsubstrat gegeben, in das wiederum ein Baumsetzling gepflanzt wird. Unter sorgsamer Aufsicht und Pflege verwurzelt der Tree of Live und absorbiert innerhalb von etwa sechs bis neun Monaten die gesamte Asche. Hernach liefert der Bestatter den herangezogenen Baum sowie alle notariell beglaubigte Unterlagen an die Angehörigen. Zur Pflanzzeit, also im Frühjahr oder Herbst, findet der Baum des Lebens dann seinen endgültigen Standort. Nach deutschem Recht gilt der Verstorbene nun als bestattet. Für immer mehr Angehörige scheint diese Art der Bestattung eine tröstliche Vorstellung zu sein. Bestatter Sven Hafner aus Uhingen zufolge haben sich bei ihm rund 25 Menschen in den vergangenen eineinhalb Jahren für diese Form der Beisetzung entschieden.
Weitere Informationen über die Bestattung im eigen Garten